Bern im All

Bronzeskulptur für Johannes Geiss

Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Mondlandung wurde gestern an der Universität Bern zu Ehren von Johannes Geiss ein Sonnenwindsegel aus Bronze enthüllt. Unter der Leitung von Geiss wurde das berühmte Sonnenwindsegel der Universität Bern entwickelt, das 1969 bei der ersten Mondlandung dabei war und den internationalen Erfolg der Berner Weltraumforschung begründete. An der Feier anwesend war auch der Astronaut Charles «Charlie» Duke.

Es war der erste grosse Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung: Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Geplant und ausgewertet wurde dieses Solarwind Composition Experiment (SWC) von Prof. Johannes Geiss am Physikalischen Institut der Universität Bern. Zurück in den Berner Labors lieferte die Folie unschätzbare Informationen über die chemische Zusammensetzung der Sonne. So begleiteten weitere Sonnenwindsegel die nächsten Apollo-Missionen.

Ein Pioniergeist

An der Ehrung von Johannes Geiss nahmen rund 60 geladene Gäste statt – unter ihnen Charles «Charlie» Duke, der zehnte und bisher jüngste Mensch auf dem Mond. Duke hatte 1972 mit der Apollo 16-Mission das Sonnenwindsegel zum fünften und letzten Mal aufgestellt. Geiss, heute über 90jährig, konnte der Feier aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen. Vertreten wurde er durch seine Frau Carmen Geiss und seine Tochter Jana Geiss.

Daniel Candinas, Vizerektor Forschung der Universität Bern, bezeichnete Johannes Geiss in seiner Begrüssung als «Mann der Visionen, der Exzellenz und des Pioniergeistes». Angelehnt an Shakespeares «Richard III.» äusserte er in Versform die Freude der Universität Bern über die Ehrung von Geiss, und den Stolz auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Berner Weltraumforschung.

Eine wissenschaftliche Würdigung des sehr erfolgreichen Sonnenwind-Experiments lieferte Nicolas Thomas, Direktor des Physikalischen Instituts: Die Resultate zur Zusammensetzung der Edelgase im Sonnenwind lieferten nicht nur neue Erkenntnisse über die Sonnenphysik, sondern auch über die Entstehung von Planeten. Das Experiment hatte aber viel weiter reichende Auswirkungen: Es begründete die führende Rolle der Universität Bern in mehreren Bereichen der Weltraumforschung – unter anderem bei der Entwicklung von Massenspektrometern oder Kamerasystemen. So kam es auch, dass die ESA bei der Universität Bern anklopfte, um das Laser-Höhenmessgerät BELA für eine Mission zum Jupiter zu entwickeln – weil sie überzeugt war, dass Bern die einzige Universität in Europa ist, die das konnte.

Weltraumforschung sei ein langfristiges Business, erklärte Thomas – «und Johannes Geiss hat das Fundament dafür gelegt, dass die Universität Bern, die Schweiz und auch Europa ihren Beitrag zu diesem langfristigen Business leisten können». 

Das SWC-Experiment als «Big Bang»

Als «Big Bang für die Weltraumforschung in Europa» bezeichnete Ruedi von Steiger, Direktor des International Space Science Institute (ISSI), das Sonnenwind-Experiment. Das wissenschaftliche Vermächtnis von Johannes Geiss zeige sich nicht nur in seinen zahlreichen Publikationen und Doktoranden, oder in der Lehre, in der er Physik auch an Studierende der Medizin vermittelte. Drei Charaktereigenschaften seien für Johannes Geiss prägend gewesen: «Science first» – immer das zu tun, was der Wissenschaft diene. Zudem sei er ein Kommunikationstalent gewesen, der mit jeder und jedem gesprochen hätte, unabhängig vom Status. Und er sei beharrlich gewesen – «ein Nein hat er nicht akzeptiert», sagte von Steiger. Das sei manchmal auch unangenehm gewesen, aber so habe er das ISSI 1995 nach seiner Emeritierung aufgebaut und allgemein Erfolg gehabt, wenn es darum ging, die Forschung voranzutreiben. «Johannes Geiss hat in den Sechzigern den Ball losgetreten, dieser wurde nicht fallengelassen und rollt noch heute», sagte von Steiger.

Jana Geiss, die Tochter von Johannes Geiss, sprach im Namen ihres Vaters und richtete Grüsse aus, speziell an die Ehrengäste Charlie Duke und seine Frau Dorothy. Ihr Vater hätte bestimmt betonen wollen, dass ein Experiment wie das SWC nur dank exzellentem Teamwork möglich gewesen sei. Damit gebühre die Ehre all jenen, die zu jener Zeit zusammengearbeitet hätten. «Mein Vater fühlt sich sehr privilegiert, das 50-Jahr-Jubiläum der Mondlandung zu erleben», sagte Geiss.

Eine langjährige Freundschaft

Charlie Duke teilte mit den Anwesenden Anekdoten vom Mond und auch Persönliches wie seinen Glauben. Von Daniel Candinas befragt, erzählte er von seiner ersten Begegnung mit «meinem langjährigen Freund» Johannes Geiss im Kennedy Space Center, vom Interesse und Umgang der Astronauten mit Experimenten allgemein, und von kleinen Löchern in der SWC-Folie, die ihm beim Aufrollen auf dem Mond aufgefallen waren und wohl Einschläge von Mini-Meteoriten waren. Sein militärischer Hintergrund als Pilot der US Air Force habe ihm dabei geholfen, sich während der Mission auf seine Aufgabe zu konzentrieren und keine Angst oder Sorgen zu haben. Am meisten beeindruckt habe ihn der Kontrast zwischen dem schwarzen Weltraum und der unberührten Oberfläche des Mondes mit ihrem feinen grauen Staub – und das «Juwel Erde» zu sehen, freischwebend im All.

Auch er betonte die Wichtigkeit von Teamwork, denn die Astronauten seien nur der sichtbare Teil von einer Gruppe von mehreren Hunderttausend, die alle einen Menschen auf den Mond schicken wollten: «Darum waren wir alle erfolgreich.»

Als Geschenk überreichte er Carmen Geiss, der Frau von Johannes Geiss, einen «Mission Patch» von Apollo 16 sowie eine Erinnerungs-Medaille zum 40. Geburtstag der Apollo 16-Mission – gefertigt aus Metall, das mit zum Mond geflogen war.

Anschliessend enthüllten Charlie Duke und Daniel Candinas unter Applaus die bronzene Skulptur des Berner Sonnenwindsegels. Sie solle, so Ruedi von Steiger, an Johannes Geiss erinnern und dazu führen, dass man sich mit seiner Person befassen wolle und auch stolz auf seine Leistung sei.

Johannes Geiss, Pionier der Weltraumforschung

Johannes Geiss hat beim Aufbau und bei der Entwicklung der europäischen Weltraumforschung während Jahrzehnten eine wichtige Rolle gespielt. Am 4. September 1926 in Pommern geboren, hat Geiss in Göttingen Physik studiert und 1953 als Experimentalphysiker promoviert. Zwischen 1953 und 1958 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten von Chicago und Bern, 1957 habilitierte er sich in Bern. Nach einer Professur für Ozeanwissenschaften an der Universität Miami wurde er 1960 in Bern zum Extraordinarius gewählt und 1964 zum Ordinarius ernannt. Nach dem Tod von Professor Friedrich Georg Houtermans 1966 bis zwei Jahre vor seiner eigenen Emeritierung im Herbst 1991 war Geiss Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern. Von 1995 bis 2002 war Johannes Geiss Co-Direktor des International Space Science Institute (ISSI) in Bern, das auf Initiative von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von vier Schweizer Universitäten sowie Vertretenden aus der Schweizer Industrie und vom Bund entstanden war.

Berner Weltraumforschung: Über 50 Jahre an der Weltspitze

Die Berner Weltraumforschung ist seit über 50 Jahren an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und ein Satellit wurde gebaut (CHEOPS, Start 2. Hälfte 2019).

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

BERN IM ALL – WIR FEIERN 50 JAHRE MONDLANDUNG, 28. JUNI BIS 4. JULI 2019

Ende Juni feiert die Universität Bern mit der Bevölkerung ein grosses Wissenschaftsfest.
•    Eine spektakuläre Reise auf dem Bundesplatz entführt die Besucherinnen und Besucher in die faszinierenden Tiefen des Weltalls und zeigt ihnen die wichtigsten Meilensteine der Berner Weltraumforschung.
•    Führende Vertreterinnen und Vertreter der grossen Weltraumorganisationen diskutieren über die Zukunft der Weltraumforschung.
•    Der Raketenbauwettbewerb macht auch die Ältesten wieder zum Kind.
•    Und an der Nacht der Sterne werfen wir gemeinsam einen Blick in die unendlichen Weiten des Weltraums.

Eröffnung: Freitag, 28. Juni 2019, 17.30 Uhr, Bundesplatz Bern

Mehr Informationen zu den Jubiläumsfeierlichkeiten: www.Bern-im-All.ch

Zur Autorin

Nathalie Matter arbeitet als Redaktorin bei Media Relations in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.