Bern im All

Interview mit Astronaut Charlie Duke

Charles Duke war der zehnte Mensch auf dem Mond und stellte am 21. April 1972 im Rahmen der Apollo 16-Mission ein Berner Sonnenwindsegel auf. Herbert Cerutti war damals Assistent am Physikalischen Institut der Universität Bern und wertete Daten der Sonnenwindsegel aus. Nun erkundigt er sich bei Charlie Duke nach seinen Erinnerungen an diese legendäre Zeit.

Aufgezeichnet von Herbert Cerutti

Herbert Cerutti: Herr Duke. Ihre Arbeit als Astronaut war eng mit meiner Tätigkeit verknüpft. Sie haben bei Apollo 16 das Berner SWC-Experiment (Solar Wind Composition Experiment / Sonnenwindsegel) auf dem Mond aufgestellt und nach 45 Stunden wieder zusammengepackt. Ich hatte die Ehre, die Aluminiumfolie des Sonnenwindsegels im Mai 1972 in Houston abzuholen und sicher nach Bern zu bringen. Zwei Jahre später trafen wir uns im Berner Institut. So möchte ich Sie gerne Charlie nennen.

Lieber Charlie. Damit wir den Fluss des Sonnenwindes bestimmen konnten, mussten wir auf die Minute wissen, wann die SWC-Folien der fünf Apollo-Missionen auf dem Mond aufgestellt und wieder zusammengerollt wurden. Zu diesem Zweck lieferte die NASA das Wortprotokoll der Kommunikation auf dem Mond sowie zwischen den Astronauten und dem Kontrollzentrum in Houston. Laut diesem Dokument konntest du die Folie problemlos aufstellen. Das spätere Aufrollen allerdings ging ziemlich schief. Die Folie rollte nicht wie ein Fensterrouleau um den Querstab, sondern flatterte von dir weg und bekam sogar einen Riss. «Das Ding hat seinen eigenen Kopf und ist wild geworden», war dein Kommentar. Schliesslich hast du die Folie irgendwie zusammengepackt und in den Teflonsack gestopft. Wie hattest du die Handhabung des Experimentes trainiert?
Charlie Duke: Ich trainierte mit einem identischen SWC-Gerät auf einer simulierten Mondoberfläche am Kennedy Space Center in Houston. Dieses Übungsexemplar war schon oft benutzt worden und leicht zu bedienen. Um das Handling des SWC-Experimentes wirklichkeitsnah in der auf ein Sechstel der Erdanziehung reduzierten Mondanziehung zu trainieren, absolvierten wir entsprechende Parabolflüge. Warum es auf dem Mond dann schwierig wurde, weiss ich nicht. 

Audio-Aufnahme: Apollo 16-Astronaut Charlie Duke erzählt vom Aufstellen und vom Training mit dem Sonnenwindsegel der Universität Bern (englisch). Bild: © NASA / Foto: John Young


Zu Deiner späten Beruhigung, lieber Charlie: Wir konnten die Folie in Bern problemlos auswerten. Nun zum Lunar Rover, dem Mondauto. Du und dein Astronautenkollege John Young waren während den drei Ausflügen mehr als 20 Stunden ausserhalb der Landefähre auf der Mondoberfläche. Das gab euch auch Zeit für etwas Spass. Das Protokoll über die Spritztouren mit dem Mondauto tönt aufregend.
Wir hatten schon im Training viel Spass. Auf der sehr rauen Mondoberfläche schüttelte das Vehikel wie ein Fischschwanz hin und her. Und auf dem sandigen Boden schleuderten wir ein paar Mal wie auf Glatteis. John sass am Steuer und ich filmte die Fahrten. Wir bretterten sogar den steilen Stone Mountain hoch, John machte eine Kehrtwendung und während der rasanten Talfahrt wanderte die Tachoanzeige weit über den Maximalwert der Skala hinaus, mehr als 17 Kilometer pro Stunde. Zum Glück trugen wir Sicherheitsgurten. Einmal filmte ich John, wie er allein eine Grand-prix-Runde drehte. Haben wir gelacht!

Houston gab irgendwann den Befehl, ihr solltet mit den «olympischen Spiele» aufhören. Was hattet ihr verbrochen?
Wir wollten einen Mondrekord im Hochsprung machen als Teil von olympischen Spielen auf dem Mond. John machte ein paar Hüpfer. Dann war ich an der Reihe. Ich stiess aus dem Stand kräftig vom Boden ab. Bei der reduzierten Anziehungskraft flog ich wohl über einen Meter hoch. Dummerweise war der Rucksack mit der lebenswichtigen Sauerstoffversorgung etwa gleich schwer wie mein Körper. Ich kippte rückwärts zu Boden, fiel schräg auf meine Füsse und dann auf den Rucksack. Das war der einzige Moment meiner Mondreise, wo ich panische Angst bekam. Denn wäre mein Versorgungssystem oder der Raumanzug kaputt gegangen, wäre ich sofort gestorben. John half mir wieder auf die Beine und meinte, das sei jetzt nicht sehr gescheit gewesen. Eine Fernsehkamera hatte das Abenteuer live nach Houston übertragen. Dort war man ziemlich sauer. Wir bekamen den Befehl, sofort mit unseren lunaren Spielen aufzuhören.  

Trotzdem konnte John später der Versuchung nicht widerstehen, nach dem Zusammenpacken der SWC-Folie mit dem jetzt überflüssigen Stab einen Mondrekord im Speerwurf zu etablieren. «Schau Charlie, glatt über den Krater», war sein stolzer Kommentar. Ihr hattet auf dem Mond offenbar grossen Spass.
Ja, wir hatten in der Tat auf dem Mond den Spass unseres Lebens. Entdecken, Neugier und die grosse lunare Schönheit. Aber bei allem Schabernack waren wir doch sehr auf unsere Astronautenaufgaben fokussiert. So sammelten wir 98 Kilogramm Mondproben und dokumentierten die Funde laufend mündlich und mit Fotos. 

Charlie Duke erzählt von den Ausfahrten mit dem Lunar Rover und den «Olympischen Spielen» auf dem Mond (englisch). Bild: © NASA / Foto: John Young


Die Universität Bern hatte das Privileg, ebenfalls an der Analyse dieser enorm wichtigen Zeugen der kosmischen Entwicklung teilzunehmen. Ihr habt mit dem Mondauto auf einer Strecke von 27 Kilometern sehr verschiedene Orte besucht und die eingesammelten Mondproben mit offenbar grossem geologischen Wissen dokumentiert. Wo hattet Ihr Euch dieses Know-how geholt?
Schon bald nach der Selektion für die Astronautenausbildung begann unser geologisches Training. Sechs Jahre lang wurden wir zwei bis drei Tage im Monat theoretisch und praktisch geschult, etwa mit Expeditionen nach Island, Hawaii oder in den Südwesten der USA, wobei Vulkangestein im Vordergrund stand. So war es uns möglich, in der Vielfalt der Steine auf der Mondoberfläche auch einzigartige und für die Wissenschaft sehr wertvolle Exemplare zu erkennen und heimzubringen.  

Eines der Apollo-16-Bilder zeigt, wie Du stolz die amerikanische Flagge grüsst. Hast Du Dich auf dem Mond auch als Patriot gefühlt?
Ja, sicher. Ich hatte schliesslich mein Land zu vertreten, die NASA und als einziger Luftwaffenoffizier auf dem Mond die US Air Force. Ich war schon in der Schule, später während der militärischen Ausbildung und erst recht auf dem Mond stolz, Amerikaner zu sein. Und ich bin es immer noch. 

Beim Start von Apollo1 starben die drei Astronauten in einer brennenden Kabine. Apollo 13 konnte nach der Explosion eines Sauerstofftanks auf dem Hinflug zum Mond nur mit Glück und grossem logistischen Können heil zur Erde zurückgebracht werden. Hast Du Dir über Deine Sicherheit keine Sorgen gemacht?
Ich war schon als Testpilot immer wieder mit dem Tod von Freunden konfrontiert. Wegen meiner Sicherheit hatte ich aber keine Bedenken. Mit dem grossen Ziel der Apollomission vor Augen wollte ich einfach vorwärts gehen. Natürlich wusste ich, dass es auf dem Weg zum Mond und zurück heikle Phasen mit einem gewissen Todesrisiko gab. Mit Ängstlichkeit wäre ich in meiner Astronautenlaufbahn wohl nicht weit gekommen.

Von den zwölf Mondspaziergängern leben heute noch vier. Mit Deinen 83 Jahren bist Du der jüngste. Habt Ihr untereinander noch Kontakt?
Ja, ich treffe meine Kollegen regelmässig. Leider ist mein Mondpartner John Young letztes Jahr gestorben. Der 50. Jahrestag der ersten Mondlandung bringt jetzt für uns viele Meetings und Sonderveranstaltungen. Mit dem heute 89 Jahre alten Apollo-11-Astronaut Buzz Aldrin habe ich eine besonders enge Freundschaft; wir werden im kommenden Juli viel gemeinsam unterwegs sein.

Charlie Duke schildert seine bleibendsten Eindrücke von der Reise zum Mond (englisch). Bild: © NASA / Foto: John Young


Was ist Dir fast ein halbes Jahrhundert nach dem Mondabenteuer als stärkster Eindruck geblieben?
Es sind eine ganze Reihe von Erinnerungen: Das wilde Schütteln beim Start der Saturn V, der dramatische Flug der ersten Raketenstufe mit der 4,5-fachen Erdbeschleunigung, der Blick auf den tiefblauen Ozean und die weissen Wolken. Wir flogen den Mond von seiner dunklen Seite an. Dann tauchten wir plötzlich ins grelle Sonnenlicht ein und die Schatten auf der Mondoberfläche wurden kürzer und kürzer. Der Landeanflug war mein grösstes dynamisches Erlebnis. Da wir die raue Mondoberfläche auf Grund der beschränkten Auflösung der früheren Fotos nicht im Detail kannten, war der Anflug eine enorme Herausforderung. John pilotierte und ich gab ihm laufend Flughöhe, Sinkgeschwindigkeit und weitere Daten bekannt. Dann natürlich die ersten Schritte auf dem Mond. «Ich bin auf dem Mond, ich bin auf dem Mond» jubelte es in mir. Ich freute mich wie ein Kind an Weihnachten. Der spätere Start zurück in den Weltraum war mit seiner gewaltigen Beschleunigung wiederum dramatisch. Und schliesslich das höllische Eintauchen in die Erdatmosphäre mit über 26'000 Meilen pro Stunde, was die Landekapsel infolge der Luftreibung in einen mächtigen Feuerball hüllte.

BERN IM ALL – WIR FEIERN 50 JAHRE MONDLANDUNG, 28. JUNI BIS 4. JULI 2019

Ende Juni feiert die Universität Bern mit der Bevölkerung ein grosses Wissenschaftsfest.
•    Eine spektakuläre Reise auf dem Bundesplatz entführt die Besucherinnen und Besucher in die faszinierenden Tiefen des Weltalls und zeigt ihnen die wichtigsten Meilensteine der Berner Weltraumforschung.
•    Führende Vertreterinnen und Vertreter der grossen Weltraumorganisationen diskutieren über die Zukunft der Weltraumforschung.
•    Der Raketenbauwettbewerb macht auch die Ältesten wieder zum Kind.
•    Und an der Nacht der Sterne werfen wir gemeinsam einen Blick in die unendlichen Weiten des Weltraums.

Eröffnung: Freitag, 28. Juni 2019, 17.30 Uhr, Bundesplatz Bern

Mehr Informationen zu den Jubiläumsfeierlichkeiten: www.Bern-im-All.ch

DAS AKTUELLE UNIPRESS: «BERN IM ALL»

Diesen und weitere spannende Beiträge zum Thema «Bern im All» finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins UniPress.

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Zum Autor

Dr. Herbert Cerutti ist Wissenschaftsjournalist, Schriftsteller und freischaffender Publizist.

Kontakt: herbert@cerutti.info